Freitag, Juni 19, 2015

Was ist, wenn es doch kein Projekt ist?

Hugo, unser Projektleiter für besondere Fälle hat ein Problem: Was tun, wenn man entdeckt, dass das Projekt, mit dem man als Projektleiter beauftragt wurde, bei genauerer Betrachtung gar kein Projekt ist?

Die klassische Projektmanagementlehre würde sagen: "Dann, lieber Projektleiter, lehne die Durchführung ab." Nur, die Organisation des Unternehmens sagt: "nein bitteschön, ich weiß zwar, dass das kein *echtes* Projekt ist, aber unsere Unternehmensleitung wünscht sich zu diesem Thema einen Lösungsvorschlag. Bitte, lieber Projektleiter, arbeite ihn aus, sonst ..."
Nun ja, wer gewinnt? Die Projektmanagementlehre oder die Organisation des Unternehmens?
Wahrscheinlich gewinnt die Organisation. Sie gewinnt auch ein bisschen, wegen dem Argument am Schluss: "sonst ...."

Und Hugo beginnt, das beste aus der Situation zu machen. Das Projekt hat zwar ein Ziel, aber das Ziel ist so abstrakt, dass man es kaum zu fassen kriegt, ganz zu schweigen davon, es in handhabbare Arbeitspakete zu unterteilen. Denn die genauen Anforderungen bleiben im Dunkeln. Aus ganz verschiedenen Gründen.

Das Projekt fühlt sich an wie glatter Marmor, 3 Kubikmeter am Stück, und kaum eine Chance, dem Block irgendwie beizukommen. Ganz zu schweigen davon, die Statue aus dem Marmor herauszuholen, die sich darin versteckt.

Nur - der Auftraggeber möchte die Statue unbedingt. Und zwar zum festgelegten Termin. (das Argument "sonst ..." schwebt irgendwo in den Hinterköpfen aller Beteiligten).
Leider kann der Auftraggeber unserem Hugo nicht genau sagen, wie die Statue aussehen soll, noch nicht mal, ob Männlein oder Weiblein, ganz zu schweigen davon, ob die Statue jemanden abbilden soll und wen denn dann genau.

Das Prinzip, das beim Projektabschluss zum Tragen kommt, um zu entscheiden, ob das Ziel erreicht wurde oder nicht lautet "Ich weiß es, wenn ich es sehe." Gefährliche Sache für Hugo.

Was kann er tun?

Nun, Hugo hat ein paar Ideen, wie man die Sache angeht. Ganz unerfahren ist er schließlich nicht. Er beherrscht auch seine Werkzeuge. Im Prinzip kann er eine Statue schon aus dem Marmor herausholen. Das einzige was ihm fehlt sind die genauen Informationen darüber, wie sich der Auftraggeber die Statue denn vorstellt. (Die Sache mit den ungenauen Auforderungen...) Da kann er nur vermuten. Das darf er eigentlich nicht. Die Projektmanagementlehre blickt ihm streng über die Schulter und sagt: "So geht das nicht!" und die Organisation hält dagegen: "Ich will das aber so."

Also macht er sich nach Abwägung aller Konsequenzen doch an die Arbeit. Und er legt einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf - das Projektmarketing. Dabei möchte er im Projekt trotzem weder die Qualität noch die Sorgfalt im Projekt vernachlässigen, das ist klar. Nur diesmal hat das Marketing oberste Priorität.

Denn um dem Prinzip "Ich weiß es, wenn ich es sehe" etwas entgegenzusetzen, sorgt er nun dafür, dass die Statue, die da entsteht in all ihrer Schönheit, Perfektion, und besonderen Ausführung betont wird. Die Präsentation des Projektergebnisses wird ein kleiner Event, der sich von üblichen Präsentationen von Projektergebnissen unterscheidet. Unterhaltsam, informativ und perfekt vorbereitet - das sind seine Vorgaben für den Präsentationstermin bei der Unternehmensleitung. Das ist der Auftraggeber.

Hugo hat sich zuvor in die Lage der Unternehmensleitung versetzt. Dort laufen viele Fäden zusammen. Projekte (oder scheinbare Projekte) wie das seine werden dort vielfach beauftragt. Monate später nach der Beauftragung kommt dann das Ergebnis zurück und wird im Lenkungskreis präsentiert. Die Unternehmensleitung erinnert sich vor diesem Termin kurz an den Auftrag den sie da vergeben hat und wartet ab, was denn da so kommt. Details sind erstmal Nebensache. Und im 30-Minutentakt kommt da eine ganze Menge.

Da die Projektleiter, die dort präsentieren, keine Entertainmentprofis sondern Experten ihres Fachgebietes sind, verlangt das einiges an Zuhördisziplin von den Teilnehmern des Lenkungskreises. Das Schlagwort "Death by Powerpoint" ist dort nicht unbekannt.

Das ist die Ausgangslage für Hugo mit seiner Statue. Wenn er seine Statue nun so präsentiert, dass er die Unternehmensleitung vor den üblichen Lähmungserscheinungen klassischer Projektpräsentationen bewahrt, hat er schon zur Hälfte überzeugt. Ausgangslage, Fakten, Rahmenbedingungen interessant sind für die Zuhörer ansprechend aufbereitet.
Gibt es eine Metapher oder ein Beispiel, das den Zuhörern erlaubt, schnell zu verstehen, um was es hier geht? Nicht immer hat man so viel Zeit wie man braucht, um sich im Detail vorzubereiten.
Notwendige Detailinformationen sind als Begleitmaterial vorbereitet. Dafür muss man die Präsentation nicht mit Details überfrachten, die ohnehin aus dem Zusammenhang genommen nur schwer verständlich sind. Im schlimmsten Fall führen sie zu Missverständnissen.

Und: Hugo hat sich ausnahmenweise die Mühe gemacht, seine Präsentation einer Generalprobe vor unbeteiligten Kollegen zu unterziehen. Dann fühlt er sich sicher und kann gekonnt das Ergebnis eines Projektes präsentieren, das eigentlich gar kein Projekt war.

Und die Organisation sagt zur Projektmanagementlehre "Siehste!" Und die Projektmanagementlehre sagt zur Organisation: "Aber ohne mich wäre das nicht gegangen, und außerdem beim nächsten Mal..." "Ja,ja." sagt die Organisation.

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